Verzerrte Prognosen im Gesundheitssystem

Jan 24, 2012         Kategorie: Politik + Wirtschaft

Populistische Szenarien gibt es nicht nur in der Politik, sondern auch im Gesundheitswesen.

Das System wird immer teurer, weil wir immer älter werden, so die furchterregende gängige Behauptung. Experten warnen immer öfter vor einer Explosion der Pflegekosten. Wir werden immer älter, deshalb braucht es in Zukunft immer mehr Pflege. Ein Argument, das scheinbar  schwer zu widerlegen ist.

Eine ähnliche Argumentation kennen wir von den Versicherungen: Die Menschen leben immer länger, das letzte halbe Jahr ist das teuerste für die Versicherungen, daher wird das System immer teurer. In Wirklichkeit wird die Zeit der intensiveren Behandlung nur nach hinten verschoben. Außerdem ist die Behandlung von Krankheiten im höheren Alter sogar billiger als vorher. Wenn wir es durch Prophylaxe schaffen, die gesunden Jahre zu verlängern und nicht die Zeit der Krankheit, dann verliert die zunehmende Lebenserwartung ihren Schrecken.

Keine „Explosion“

Die demografische Entwicklung muss auch herhalten für eine „Explosion“ der Pflegekosten. Und auch hier ist Skepsis angebracht. Auch hier wird unterschlagen, dass die Menschen heute nicht nur älter, sondern auch anders älter werden als früher. Ein austro-amerikanisches Demografenteam, Warren Sanderson (Stony Brook University, USA) und Sergei Scherbov (Institut für Demographie der ÖAW in Wien) gehen davon aus, dass ältere Menschen heute, unter anderem auch dank des medizinischen Fortschritts, fitter seien als früher.

 Der bisher verwendete Altersabhängigkeitsquotient, bei dem die Anzahl der Menschen über 65 Jahren mit der Anzahl der berufstätigen Menschen in Beziehung gesetzt wird, entspricht nach Meinung der Experten nicht mehr der Realität. Sie schlagen daher eine neue Methode vor, um die tatsächliche finanzielle Belastung der Gesellschaft durch die “Überalterung” zu messen. Sie gehen dabei vom faktischen Unterstützungsbedarf (“adult disability dependency ratio”) aus. Die Alterungsgeschwindigkeit reduziert sich durch diese neue Berechnungsmethode um bis zu 80 Prozent.

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